Sind wir reif?

Eine junge Zeitung, die ihre Konkurrenz nicht länger in anderen Tageszeitungen sieht, sondern in den immer erfolgreicheren Online-Angeboten. Eine kritische Zielgruppe, die mehr Zeit im Netz verbringt, als in jedem anderen Medium. Eine authentische Kampagne, die ein großes Kulturphänomen aufgreift: unser alltägliches Verhalten im Umgang mit einem Medium, ohne das wir alle nicht mehr leben können. Es geht um die WELT KOMPAKT. Die Sympra-Partneragentur DORTEN hat hierfür eine sehr bemerkenswerte Strategie und Kampagne entwickelt. Dazu ein kurzes Interview mit DORTEN-Geschäftsführer Christian Schwarm.

Christian, bislang fiel DORTEN gerade nicht mit klassischen Werbekampagnen auf. Wie passt das zu Eurer Positionierung?
Wer wirklich frei und medienunabhängig denkt, darf die klassischen Kanäle natürlich nicht ausschließen. Unsere Kunden schätzen uns gerade dafür, dass wir das Marketing-Spielfeld maximieren und in den meisten Fällen ungewöhnliche Wege mit ihnen gehen. Aber selbst diese sind ja kein Selbstzweck. Es ist unser wichtigster Anspruch, dass wir zunächst immer die richtige Strategie und die beste Idee entwickeln und erst dann nach den angemessenen Kanälen und Medien schauen. Genau so sind wir auch in diesem Fall vorgegangen: Wir halten es für die richtige Strategie, diese Zeitung Menschen nahezubringen, die vielleicht gar keine Tageszeitung mehr lesen. Und wir glauben fest daran, dass wir in dieser Kampagne ein interessantes Kulturphänomen bespielen oder sogar “besprechen”, welches noch nicht ausreichend beachtet wird. Dieses Phänomen – nämlich unser sich andauernd veränderndes, manchmal sogar unbewusstes Verhalten im Umgang mit dem Internet – ist in diesem Fall das Kommunikationsformat, nicht die daraus resultierenden Anzeigen, Plakate oder TV-Spots. Unser (übrigens sehr ehrgeiziges) Ziel ist es, mit dieser Kampagne eine hoffentlich kontroverse Diskussion über unsere Medienmarotten und über unsere Medienkompetenz auszulösen: Wir alle lieben das Internet, aber sind wir ihm wirklich schon gewachsen? Beherrschen wir noch das Medium oder das Medium längst uns? Um aber in unserer Gesellschaft einen solchen Dialog anzustoßen, braucht es sicher eine treffsichere Flanke. Und die kommt in diesem Fall auch über ganz klassische Kanäle.

Was unterscheidet diese Kampagne Eurer Ansicht nach von herkömmlicher Werbung?
Am Ende hoffentlich die Wirkung … schließlich geht es unterm Strich darum, Menschen für dieses neue Zeitungskonzept zu begeistern und als Leser zu gewinnen. In der Machart sind wir uns treu geblieben und konnten zum Beispiel den jungen Künstler und Fotografen Sascha Weidner für eine Zusammenarbeit gewinnen. Die meisten Motive stammen aus seinem umfangreichen Bilderfundus. Sascha fotografiert seit Jahren sein Umfeld, seine ungestellte Realität. Genau das hat uns an seinen Fotos gereizt. Den größten Teil des Grundlagenmaterials für die Kino- und TV-Spots haben wir bei Youtube gefunden und dann den entsprechenden Macher kontaktiert. Unsere Sprecherin ist selbst Teil unserer Zielgruppe und steht hinter dem, was sie da erzählt. Und sogar die Musik für die Radiospots stammt von zwei jungen ausländischen Künstlern und eben nicht von irgendwelchen Reklamekomponisten. Darüber hinaus ist es ganz und gar nicht selbstverständlich, dass ein Kunde den Mut hat, in einer Kampagne nicht von sich selbst oder seinem Produkt zu sprechen, sondern stattdessen gesellschaftliche Verhaltensänderungen beschreibt. Diese fast schon journalistische Vogelperspektive macht die Kampagne für uns zu etwas Besonderem. Übrigens trägt die Redaktion der WELT KOMPAKT das einhundertprozentig mit. Es werden viele Artikel in der Zeitung erscheinen, die unser aller Internet-Verhalten zum Inhalt haben werden und dieses – wie auch die Kampagne – liebevoll, mit großem Augenzwinkern aber eben nicht unkritisch begleiten.

Von Dorten stammt auch der neue Kampagnen-Claim der WELT KOMPAKT: “Kurz. Anders. Gedruckt.” Ist es überhaupt sinnvoll, einer internet-orientierten Zielgruppe noch bedrucktes Papier verkaufen zu wollen?
Ich glaube definitiv nicht daran, dass das Internet alle Tageszeitungen verdrängen oder gar überflüssig machen wird. Allerdings: unser Medienkonsum verändert sich mit einem unglaublichen Tempo und jede Tageszeitung sollte sich heute ein paar ganz grundsätzliche Fragen stellen, zum Beispiel, ob sie noch in das Leben ihrer Wunschleser passt – inhaltlich wie funktionell. Die WELT KOMPAKT hat sich in den letzten Jahren antizyklisch, also gegen den schwierigen Tageszeitungsmarkt toll entwickelt und scheint daher vieles richtig zu machen. Unser Kampagnenclaim soll genau das transportieren: Diese Zeitung informiert ihre Leser schnell und übersichtlich, sie präsentiert andere, viel jüngere Inhalte, aber sie ist und bleibt nach wie vor eine Zeitung und steht selbstbewusst zu sich selbst. Eben kurz, anders, gedruckt.

Vielen Dank!

Nachklapp am Freitag, 27.11.2009, 11.10:  Einen interessanten Beitrag zur Kampagne bringt heute der PR REPORT: http://prreport.de/aktuell/aktuell/news-public/article/955-welt-kompakt-noch-lange-nicht-reif/

Über den Verfasser

Veit Mathauer ist einer der beiden Geschäftsführer von Sympra. Wirtschaftswissenschaftler, Journalist, PR-Mensch, Boardmitglied im internationalen Public Relations Network (PRN) und Blogger. Ansonsten auch in den einschlägigen sozialen Netzwerken zu finden.

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