Praktikant Tim

Wir haben eigentlich immer eine Praktikantin oder einen Praktikanten im Team. Manchmal auch zwei. Selten drei. Sie sind hier, um zu lernen, um Einblicke in den Agenturalltag zu bekommen und in Projekten mitzuarbeiten, was für den Auszubildenden und die Agentur immer das Beste ist. Wir nehmen Praktika ernst und haben uns vor einigen Jahren als „Fair Company“ registriert (die Anforderungen an ein „faires Unternehmen“ erfüllen wir bereits seit 1992).

Dutzende von Praktis haben wir ausgebildet, manche sind geblieben und haben Karriere bei Sympra gemacht, zu sehr vielen haben wir auch nach Jahren noch engen Kontakt, mit einigen arbeiten wir zusammen, ein paar sind verschollen. So auch Tim (Name geändert). Sein Praktikum war kurz, ging aber in die Sympra-Annalen ein.

Er hatte sich Ende der Neunziger bei uns beworben, seine Unterlagen waren gut und wir haben ihn zum Kennenlerngespräch eingeladen. Ein sympathischer netter Student mit Vordiplom, proper gekleidet mit Krawatte, eloquent, interessiert, hatte sich gut auf den Termin vorbereitet. Unsere teils schwierig zu bearbeitenden Themen haben ihn nicht abgeschreckt. Sein Wunschzeitraum für ein dreimonatiges Praktikum passte exakt zu unseren Vorstellungen. Ja, und dann haben wir etwas gemacht, was wir davor noch nie gemacht haben – und später nie mehr: Wir haben ihm im Vorstellungsgespräch eine Zusage erteilt.

Das war im April und im Juli hatte Tim seinen ersten Arbeitstag. Er kam in T-Shirt und ziemlich abgerissenen Jeans. Ok. Er hatte seine dunkles Haar in den vergangenen Monaten wachsen lassen und sonnengelb färben lassen. Gewöhnungsbedürftig. Er stellte sich seinen Kollegen vor mit „Ich bin der Tim und wer bist Du?“. Hat nicht allen gefallen. Das Schlimmste aber: Er hat gemuffelt. Streng gemuffelt.

Ich mach’s kurz: Tim war der einzige Praktikant in all den Jahren, dessen Praktikum wir abbrechen mussten. Sein Verhalten war einfach nicht okay, die Ergebnisse seiner Arbeit mittelmäßig, sein olfaktorisches Problem hat er auch nach einem vertraulichen Gespräch nicht in den Griff bekommen. Aufgrund seines Erscheinungsbildes konnten wir ihn in nur zu wenigen Außenterminen mitnehmen.

Lessons learnt:

1. Nie mehr während eines Bewerbungsgesprächs eine Zu- oder Absage erteilen.
2. Rechtzeitig die Reißleine ziehen, wenn’s halt partout nicht passt.

Nun, es war tatsächlich der einzige Ausfall mit einem Praktikanten. Im Fall von Tim haben wir drei Theorien, wie es dazu kam: Er hat sich im Bewerbungsgespräch verstellt (dann: Respekt!), oder er hat in den drei Monaten eine Persönlichkeitsveränderung durchgemacht, oder – und das halten wir nach wie vor für die realistischste Version: Der Tim im Bewerbungsgespräch war nicht der Tim, der bei uns praktiziert hat. Ein Indiz für die dritte Variante ist auch, dass Tim nicht mehr auffindbar ist; nicht auf XING, nicht auf LinkedIn, nicht sonst wo. Ob wir also nur Opfer eines Lausbubenstreichs geworden sind? Wir werden es nie erfahren.

PS. Interessant zu wissen wäre, ob diese Geschichte womöglich schon einmal erzählt wurde, aus anderer Perspektive, nämlich aus der von Tim und seinem Bruder oder Freund …

Bild: Andrey Matyuk / iStockphoto

Über den Verfasser

Veit Mathauer ist einer der beiden Geschäftsführer von Sympra. Wirtschaftswissenschaftler, Journalist, PR-Mensch, Boardmitglied im internationalen Public Relations Network (PRN) und Blogger. Ansonsten auch in den einschlägigen sozialen Netzwerken zu finden.

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Kommentare zu diesem Post

Annegret Linder

Das ist ja mal eine Geschichte! :)

Michael Krause | onchestra

Das ist in der Tat eine seltsame Story. Vielleicht hätte er sich besser beim Theater oder dem Fernsehen beworben?! :-) Danke für diese amüsante (seht's mir bitte nach) Story an diesem heutigen heißen Freitag! Michael